Zielsetzung
Wir betreuen im Rahmen des Ambulant betreuten Wohnens nach §§ 78, 90, 99,113 SGB IX volljährige dauerhaft wesentlich behinderte Menschen mit geistigen, körperlichen und/oder seelischen Behinderungen, die in einer eigenen Wohnung oder Wohngemeinschaft leben und zur selbstständigen Lebensführung ambulante Hilfe benötigen.
Da Menschen mit Behinderung sich oft in einer Abhängigkeit von anderen Personen befinden, sind sie dem Risiko, Opfer von Grenzverletzungen und Gewalt zu werden, stärker ausgesetzt.
Gewaltprävention ist deshalb eine zentrale Aufgabe. Ein systematischer und standardisierter Umgang mit Gewalt und deren Prävention ist Bestandteil unseres Qualitätsmanagements.
Das vorliegende Rahmenkonzept soll die Mitarbeitenden der Mittelpunkt GbR für kritische Situationen sensibilisieren, Maßnahmen zur Prävention von Gewalt aufzeigen und Handlungsstrategien festlegen, wie mit Grenzverletzungen und Gewalt umzugehen ist. Dabei geht es sowohl um den Schutz der betreuten Zielgruppe als auch um Schutz und Sicherheit der Mitarbeitenden.
Maßnahmen zur Gewaltprävention
Wir fassen Gewaltprävention als Querschnittsaufgabe auf. Alle Mitarbeiter unabhängig von ihrer Profession sind mit dieser Aufgabe befasst. Das nachfolgende Schaubild zeigt unsere Bausteine für die Prävention von Gewalt und Grenzverletzungen:
1. Risikoanalyse
Sinnvolle Mittel der Prävention können auch ein individuelles Risikomanagement bzw. Risikoanalysen sein. Im Rahmen der bestehenden Kontroll- und Verbesserungsprozesse verstehen wir eine regelmäßige Risikoanalyse als wesentliches Element, um Gefahrenpotentiale innerhalb unserer Organisation zu erkennen. Ergebnisse der Risikoanalyse zeigen, welche konzeptionellen und strukturellen Verbesserungen erforderlich sind, um den Gewaltschutz sicherzustellen. Die Risikoanalyse führen wir anhand einer regelmäßigen stichprobenartigen Abfrage bei Klienten und Mitarbeitern durch.
2. Maßnahmen zur Intervention
Das Schutzkonzept ist Teil unseres Qualitätsmanagements. In Verfahrens- und Arbeitsanweisungen ist eine Interventionsstrategie klar verankert. Es wird in ihnen prozesshaft beschrieben, wie bei Gewalthandlungen und Verdachtsfällen konkret vorzugehen ist und wer die Verantwortlichen für die Umsetzung sind.
Gewaltvorfälle sind trotz präventiver Maßnahmen nicht immer auszuschließen. Kompetentes Handeln in der Situation sowie eine professionelle Bearbeitung des Vorfalls und Transparenz können durch folgende Maßnahmen eingedämmt werden.
- Deeskalation, z.B. räumliche Trennung der Betroffenen schaffen
- Situative Interventionen, dabei stehen immer die Hilfestellung und der Schutz des Opfers und unbeteiligten Personen an vorderster Stelle
- Wenn möglich ein klärendes Gespräch mit dem Betroffenen führen
- Informationen an die Verantwortlichen weiterleiten
- Bei Klienten: ggf. Information an den gesetzlichen Betreuer weiterleiten
- je nach Schweregrad des Vorfalls Wiedergutmachung und Entschuldigung oder Sanktionen
- mögliche Sanktionen bei Klienten: Gespräch mit der Bereichsleitung, Verwarnung, Abmahnung, Kündigung, Aufnahme in der Psychiatrie, Strafanzeige
- mögliche Sanktionen bei Mitarbeitern: Mitarbeitergespräch mit Zielvereinbarung, normale Kündigung, Freistellen und Untersuchung einleiten, fristlose Entlassung, Strafanzeige
- Aufarbeitung des Vorfalles: alternative Handlungsmöglichkeiten für und mit dem Täter ausarbeiten und üben, Interventionen des Personals reflektieren und überprüfen, präventive Maßnahmen im Team erarbeiten und Frühwarnzeichen eruieren
3. Maßnahmen zur Stärkung
Eine wichtige Aufgabe unserer Arbeit sind die Partizipation und Selbstbestimmung der Klienten sowie die Stärkung der Möglichkeiten einer selbstbestimmten Lebensführung. Dies erfordert auch bei den Mitarbeitern ein geschultes Bewusstsein bezüglich des Ungleichgewichtes im Machtgefälle zwischen Klienten und
Mitarbeitern, sowie eine Sensibilisierung für die Rechte der Klienten auf Intimsphäre, Eigentum und selbständige Entscheidungen und Lebensführung.
Menschen mit Behinderungen liegt eine spezielle Vulnerabilität und Schutzbe-dürftigkeit zu Grunde. Oftmals begünstigen das Machtgefälle und die in sozialen Einrichtungen oftmals bestehenden Abhängigkeitsbeziehungen die Entstehung von Gewalt. Hier ist es wichtig genau hinzusehen, auf Augenhöhe zusammen zu arbeiten und die Klienten auf Grundlage ihrer Ressourcen in ihrer Entwicklung zu bestärken.
4. Leitbild/Haltung
Ein weiterer wichtiger Baustein der Gewaltprävention bildet das in unserem Qualitätsmanagementhandbuch beschriebene Leitbild und unsere damit verbundene Grundhaltung, die auch im Verhaltenskodex für alle verpflichtend niedergeschrieben ist.
Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht der Klient. Wir unterstützen Menschen unabhängig von Art und Schwere ihrer Behinderung dabei eine möglichst eigenständige Lebensführung, soziale Eingliederung und Teilhabe am Leben zu ermöglichen. Dabei betrachten wir den Menschen als Ganzes und stellen die individuelle Selbstverwirklichung in den Vordergrund. Das schließt seine Lebensumstände, frühere Erfahrungen, seine Bedürfnisse, Umweltfaktoren und das soziale Umfeld mit ein. Die Hilfe und Unterstützung wird partnerschaftlich und ressourcenorientiert erbracht.
5. Beschwerdemanagement
Jeder Vorfall von Gewalt wird im Rahmen des Beschwerdemanagements dokumentiert und bearbeitet. Neben dem direkten z.B. telefonischen Kontakt mit den benannten Ansprechpartnern, können Vorfälle von Gewalt von Klienten und Mitarbeitern von diesen auch schriftlich dokumentiert und an uns gesandt werden (postalisch oder per Email an sekretariat@mittelpunkt-bewo.de).
6. Personalmanagement
Die Leitung der Mittelpunkt GbR trägt die Verantwortung dafür, dass nur Personen mit der Betreuung von besonders schutzbedürftigen Personen betraut werden, die über eine fachliche sowie eine persönliche Eignung verfügen. Um dieser Verpflichtung in unserer Einrichtung Rechnung zu tragen, achten wir bereits bei der Auswahl des Personals auf die geeignete Qualifikation und legen besonderen Wert auf die persönliche Wertehaltung. Weiterhin verpflichten wir grundsätzlich vor der Anstellung und laut Arbeitsvertrag in regelmäßigen Zeitintervallen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen.
Alle Mitarbeitenden müssen sich grundsätzlich vor Anstellung durch Unterzeichnung des Verhaltenskodex zu einem reflektierten Umgang mit ihren Schutzbefohlenen und zu zeitnaher und angemessener Thematisierung von Grenzverletzungen verpflichten. Die Selbstverpflichtungserklärung ist Teil des Arbeitsvertrages.
Dem Schutz von personenbezogenen Daten wird neben den einschlägigen gesetzlichen Regelungen auch aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen Klienten und Fachkräften eine besondere Bedeutung beigemessen. Alle Mitarbeiter, die mit personenbezogenen Daten von Klienten betraut werden, unterzeichnen eine Verschwiegenheits- und Datenschutzerklärung.
Eine sorgfältige Einarbeitung in alle Prozesse ist sichergestellt.
Um Gewalt im beruflichen Alltag professionell begegnen zu können, reicht es nicht, ein institutionelles Schutzkonzept zu entwickeln. Jeder Mitarbeiter muss sich seiner Verantwortung auch bewusst sein, seinen Beitrag zu einer wirkungsvollen Gewaltprävention leisten und im Falle eines Verdachts oder eines erfolgten Gewaltvorfalles rechtzeitig und angemessen handeln können. Dazu tragen im Weiteren folgende Maßnahmen bei:
- Umsetzung des Gewaltpräventionskonzeptes
- Pflege eines professionellen, respekt- und vertrauensvollen Umgangs mit den Klienten
- offene und transparente Kommunikation untereinander und gegenüber Vorgesetzten
- Klarheit der eigenen Rolle und sorgfältige Selbstreflexion
- Regelmäßige Teambesprechungen, Supervision
- Arbeiten in Co-Partnerschaft
- Dokumentation und Weiterleitung relevanter Informationen an die richtigen Stellen
- Bewusstsein über eigenen Grenzen und Kommunikation dieser
- Meldung von Grenzüberschreitungen aller Art an die zuständige Stelle
- Einleitung entsprechender Maßnahmen bei Grenzüberschreitungen
- Regelmäßige Fort- und Weiterbildungen, Schulungen
7. Kooperationen
Das Wissen um Hilfs- und Beratungsangebote ist wesentlich für den professionellen Umgang und eine wichtige präventive Maßnahme. Sowohl Mitarbeitende als auch die Klienten sollten über das Angebot an örtlichen Ansprechpartnern für unterschiedliche Anlässe informiert werden.
Beispiele:
- Jugendamt
- LVR
- Örtliche Beratungsstellen, z.B. Die Kette e V Düren, Sozial psychiatrische Hilfsgemeinschaft e.V.
- Beratungsstellen zu Fragen zur sexuellen Gewalt
- Hilfetelefon sexueller Missbrauch 0800/ 5040112
- u.a.