Unterstützung mit Sicherheit und Schutz

Im Rahmen des Ambulant Betreuten Wohnens nach §§ 78, 90, 99, 113 SGB IX betreuen wir volljährige Menschen mit geistigen, körperlichen und/oder seelischen Beeinträchtigungen, die dauerhaft wesentlich behindert sind. Unsere Unterstützung richtet sich an Personen, die in einer eigenen Wohnung oder Wohngemeinschaft leben und für eine selbstständige Lebensführung ambulante Hilfe benötigen.

Gewaltprävention ist ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit. Menschen mit Behinderung sind durch ihre Abhängigkeit von anderen Personen einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer von Grenzverletzungen oder Gewalt zu werden. Deshalb legen wir großen Wert auf einen systematischen und standardisierten Umgang mit Gewaltprävention, der fester Bestandteil unseres Qualitätsmanagements ist.

Unser Konzept dient dazu, unsere Mitarbeitenden für kritische Situationen zu sensibilisieren, präventive Maßnahmen aufzuzeigen und klare Handlungsstrategien im Umgang mit Grenzverletzungen und Gewalt zu entwickeln. Dabei stehen sowohl der Schutz und die Sicherheit der betreuten Personen als auch der Mitarbeitenden im Fokus.

Gewaltbegriff

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gewalt in ihrem 2002 erschienenen Weltbericht „Gewalt und Gesundheit“ wie folgt: Gewalt ist der tatsächliche oder angedrohte absichtliche Gebrauch von physischer oder psychologischer Kraft oder Macht, die gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft gerichtet ist und die tatsächlich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklung oder Deprivation führt. Gewalt und Grenzverletzungen treten in verschiedenen Formen auf. Formen der Gewalt werden im Folgenden Beschrieben.

1. Körperliche Gewalt

Unter körperlichen Gewalthandlungen verstehen wir das Zufügen von physischen Schmerzen oder Wunden z.B. durch

  • Schlagen, Verletzen, Schubsen
  • Festhalten mit Gewalt

2. Psychische Gewalt

Unter psychischen Gewalthandlungen verstehen wir das Zufügen von psychischem Schmerz z.B. durch

  • Beschimpfung, Einschüchterung, Drohung
  • Entzug von Zuneigung oder Aufmerksamkeit
  • aktive soziale Isolierung, Ausgrenzung
  • Vernachlässigung
  • Verweigerung der Selbstbestimmung
  • Erniedrigung, Bloßstellung, lächerlich machen

3. Sexualisierte Gewalt

Unter sexualisierter Gewalt verstehen wir jede sexuelle Handlung, die gegen den Willen der Betroffenen ausgeübt wird, z.B.

  • Sexuelle Belästigung
  • Aufgezwungene sexuelle Handlungen
  • Anzügliche Bemerkungen
  • Missachten von Schamgrenzen/ der Intimsphäre
  • Unterbinden von Beziehungen
  • Verhinderung des Auslebens der Sexualität

4. Strukturelle Gewalt

Unter struktureller Gewalt verstehen wir als Regel getarnte, oft subtile Formen von Gewalt, z.B.

  • Inadäquate Abläufe und Strukturen, die die Selbstständigkeit und -bestimmung einschränken
  • Vorenthalten des Mitentscheidungsrecht
  • Vorenthalten von Informationen
  • Missachtung des Datenschutzes
  • Angebot von ungeeignetem Wohnraum
  • Nicht professionelles und/ oder zu wenig Personal
  • Ungeeignete pädagogische Maßnahmen

Ursachen, Auslöser und Risikofaktoren

Gewalt hat viele Gesichter und ebenso vielfältige Ursachen. Sie kann unbeabsichtigt oder unüberlegt ausgeübt werden und von unterschiedlichen Akteuren ausgehen – etwa:

  • Von Klient zu Klient
  • Von Klient zu Mitarbeiter
  • Von Mitarbeiter zu Klient
  • Von Mitarbeiter zu Mitarbeiter

Im Ambulant Betreuten Wohnen ist es entscheidend, all diese Ebenen in der Gewaltprävention angemessen zu berücksichtigen. Besonders Menschen mit Behinderungen benötigen hierbei besondere Aufmerksamkeit. Gewalt entsteht jedoch selten durch einen einzelnen Faktor, sondern durch das Zusammenspiel verschiedener Ursachen.

Mögliche Auslöser und Ursachen für Gewalt und Grenzverletzungen

Personenbezogene Faktoren
  • Geringe Frustrationstoleranz
  • Hohes Aggressionspotenzial
  • Mangelnde Kommunikations- und Konfliktfähigkeit
  • Menschenbild und Weltanschauung
  • Drogen- und Alkoholmissbrauch
  • Gesundheitliche Probleme
  • Überschreiten der persönlichen Belastungsgrenze
  • Eigene Gewalterfahrungen
  • Zwischenmenschliche Konflikte
  • Entwicklungsprobleme
Faktoren des sozialen Umfelds
  • Geringe finanzielle Ressourcen
  • Arbeitslosigkeit
  • Ungünstiges Wohnumfeld
  • Soziale Isolation
  • Fehlende soziale Unterstützung
Kulturelle und gesellschaftliche Faktoren
  • Akzeptanz von Gewalt in der Gesellschaft
  • Leistungsdruck
  • Machtgefälle zwischen den Geschlechtern
Strukturelle Faktoren
  • Unklare Rollenverteilungen und fehlende Transparenz
  • Überlastung durch Zeitdruck, hohe Verantwortung oder Personalmangel
  • Fehlende Kompetenz oder Schulung
  • Mangelnde Verfahren zur Prävention und Intervention
  • Tabuisierung und ein Klima des Schweigens
  • Negatives Betriebsklima oder angespannte Atmosphäre

Frühzeitiges Handeln für Deeskalation und Prävention

Gewaltprävention beginnt mit einem achtsamen Umgang und der frühzeitigen Wahrnehmung von Auslösern und Formen von Gewalt. Entscheidend ist, die Ursachen zu analysieren und systematisch nach Lösungen zu suchen. Dies erfordert eine offene Auseinandersetzung und ein genaues Hinsehen auf allen Hierarchieebenen.

Unser Ziel ist es, durch klare Strukturen, regelmäßige Schulungen und ein bewusstes Miteinander ein sicheres Umfeld für alle Beteiligten zu schaffen.

Maßnahmen zur Gewaltprävention

In unserer Arbeit verstehen wir Gewaltprävention als eine übergreifende Aufgabe, die alle Mitarbeitenden – unabhängig von ihrer Profession – betrifft. Jeder Einzelne trägt Verantwortung, um Gewalt und Grenzverletzungen vorzubeugen.

Das folgende Schaubild veranschaulicht die zentralen Bausteine unserer Gewaltprävention:

Unsere Bausteine der Gewaltprävention

Gewaltprävention ist ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit und umfasst verschiedene Maßnahmen, die auf Prävention, Intervention und Stärkung abzielen. Hier sind die wichtigsten Bausteine zusammengefasst:


1. Risikoanalyse – Gefahren frühzeitig erkennen

Eine regelmäßige Risikoanalyse ist essenziell, um Gefahrenpotenziale in unserer Organisation zu identifizieren. Durch stichprobenartige Befragungen von Klient*innen und Mitarbeitenden erkennen wir Schwachstellen und leiten notwendige konzeptionelle und strukturelle Verbesserungen ein, um den Gewaltschutz zu gewährleisten.


2. Maßnahmen zur Intervention – Im Ernstfall professionell handeln

Unser Schutzkonzept beinhaltet klare Interventionsstrategien, die in Verfahrens- und Arbeitsanweisungen festgelegt sind. Im Falle von Gewalt oder Verdachtsfällen wird prozesshaft beschrieben, wer verantwortlich ist und wie vorzugehen ist.
Maßnahmen umfassen:

  • Deeskalation, z. B. räumliche Trennung der betroffenen Personen
  • Situative Interventionen, mit Fokus auf den Schutz der Opfer
  • Klärende Gespräche und Weiterleitung relevanter Informationen
  • Sanktionen, angepasst an den Schweregrad des Vorfalls
  • Aufarbeitung, um alternative Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln und präventive Maßnahmen zu stärken

3. Maßnahmen zur Stärkung – Selbstbestimmung fördern

Die Stärkung von Partizipation und Selbstbestimmung der Klient*innen ist ein zentraler Ansatz unserer Arbeit. Wir sensibilisieren unsere Mitarbeitenden für das Machtgefälle zwischen Klient*innen und Fachkräften und fördern ein respektvolles Miteinander. Ziel ist es, Menschen mit Behinderung auf Augenhöhe zu begegnen und ihre Ressourcen zu stärken.


4. Leitbild und Haltung – Werte als Grundlage

Unser Leitbild, verankert im Qualitätsmanagementhandbuch, stellt die Klient*innen in den Mittelpunkt. Wir fördern eine eigenständige Lebensführung, soziale Teilhabe und individuelle Selbstverwirklichung. Dabei arbeiten wir ressourcenorientiert und partnerschaftlich. Diese Haltung ist im verpflichtenden Verhaltenskodex aller Mitarbeitenden verankert.


5. Beschwerdemanagement – Transparenz und Dokumentation

Gewaltvorfälle werden im Rahmen des Beschwerdemanagements dokumentiert und bearbeitet. Klient*innen und Mitarbeitende können Vorfälle schriftlich oder telefonisch melden. Alle Meldungen werden vertraulich behandelt und systematisch ausgewertet, um Verbesserungen einzuleiten.


6. Personalmanagement – Qualifikation und Verantwortung

Die Auswahl und Schulung unserer Mitarbeitenden ist entscheidend für die Gewaltprävention:

  • Einstellung nur von fachlich und persönlich geeigneten Personen
  • Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses
  • Verpflichtung zur Unterzeichnung des Verhaltenskodex und einer Verschwiegenheitserklärung
  • Sorgfältige Einarbeitung und regelmäßige Schulungen

Zusätzlich fördern wir:

  • Offene Kommunikation und regelmäßige Supervisionen
  • Reflexion der eigenen Rolle und klare Absprachen im Team
  • Meldung und Dokumentation von Grenzüberschreitungen

7. Kooperationen – Gemeinsam stark

Wir arbeiten eng mit lokalen Hilfs- und Beratungsstellen zusammen, um Klient*innen und Mitarbeitenden bei Bedarf professionelle Unterstützung zu bieten. Beispiele:

  • Jugendämter
  • Beratungsstellen wie „Die Kette e.V.“ oder die Sozialpsychiatrische Hilfsgemeinschaft e.V.
  • Weitere spezialisierte Anlaufstellen

Unsere Maßnahmen zur Gewaltprävention sind darauf ausgerichtet, ein sicheres und respektvolles Umfeld für alle Beteiligten zu schaffen. Durch kontinuierliche Weiterentwicklung und Sensibilisierung setzen wir uns aktiv für den Schutz und die Stärkung unserer Klient*innen und Mitarbeitenden ein.

Umsetzung des Konzeptes

Neue Mitarbeiter werden im Anstellungsverfahren auf unsere Grundhaltung hingewiesen und erhalten mit dem Anstellungsvertrag das Konzept Gewaltprävention und den Verhaltenskodex zur Unterschrift.

Die Klienten und ggf. die gesetzlichen Vertreter werden über die Implementierung des Konzepts informiert und haben Einblick. Bei Neuaufnahmen wird im Aufnahmeverfahren bereits darauf hingewiesen.

Die Umsetzung des Konzeptes wird im Rahmen des ständigen Verbesserungsprozesses regelmäßig überprüft und ist ebenfalls Bestandteil der internen Audits.

Haben Sie weitere Fragen zu MITTELPUNKT oder speziellen Leistungen, stehen wir Ihnen über unser Kontaktformular jederzeit gerne zur Verfügung.

Haben Sie weitere Fragen zu MITTELPUNKT oder speziellen Leistungen, stehen wir Ihnen über unser Kontaktformular jederzeit gerne zur Verfügung.